Einsam an Weihnachten – wenn Stille zur Belastung wird | silberFuchs

Einsam an Weihnachten – wenn Stille zur Belastung wird

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Die Feiertage gelten als Zeit der Nähe – für viele fühlt sich gerade diese Zeit jedoch besonders leer an. Einsamkeit ist mehr als ein Gefühl: Die WHO stuft sie als ernstes Gesundheitsrisiko ein, das Körper und Psyche belastet. Warum Weihnachten für manche so schwer wird – und welche Wege aus der Isolation helfen können.

In der Adventszeit leuchten die Strassen, Fenster sind geschmückt, und überall begegnen uns Bilder fröhlicher Familien. Für viele Menschen ist diese Stimmung wohltuend. Für andere verstärkt sie das Gefühl, nicht dazuzugehören. Weihnachten gilt als Fest der Nähe – gerade deshalb wird Einsamkeit in diesen Tagen besonders spürbar. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) stuft sie inzwischen als ernstzunehmendes Gesundheitsrisiko ein, vergleichbar mit Rauchen oder Bewegungsmangel.

Einsamkeit betrifft längst nicht nur ältere Menschen. Doch für Seniorinnen und Senioren, die Partner verloren haben oder deren Familien weit entfernt leben, sind die Festtage häufig besonders schwer. Die Erwartung, gemeinsam zu feiern, trifft dann auf eine Realität, die leer bleibt.

Nicht jede Stille tut weh: Was Einsamkeit ausmacht

Einsamkeit ist nicht dasselbe wie Alleinsein. Viele Menschen geniessen es, Zeit für sich zu haben. Alleinsein kann bereichernd oder erholsam sein – ein bewusst gewählter Zustand. Einsamkeit hingegen beschreibt ein Gefühl des Mangels: Die sozialen Kontakte reichen nicht aus – oder sie geben nicht die Nähe, die man braucht. Sie ist subjektiv und von aussen oft nicht erkennbar.

Deshalb kann sich jemand mit Partner, Familie oder grossem Bekanntenkreis einsam fühlen – während eine andere Person, die Weihnachten allein verbringt, diese Zeit durchaus geniessen kann. Entscheidend ist die eigene Wahrnehmung.

Gerade im Dezember entsteht leicht der Eindruck, „alle anderen“ seien in Familienkreise eingebunden. Dieses Bild verstärkt die innere Distanz: Man fühlt sich fehl am Platz, während rundherum die Welt feiert. Experten sprechen von einer „emotionalen Diskrepanz“ – dem Abstand zwischen dem, was wir uns wünschen, und dem, was tatsächlich da ist.

Warum Einsamkeit krank machen kann

Lange Zeit galt Einsamkeit als rein seelisches Problem. Heute weiss man: Sie wirkt tief in den Körper hinein. Wer sich dauerhaft einsam fühlt, hat ein höheres Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Depressionen, Angstzustände, Bluthochdruck und Demenz. Studien zeigen, dass anhaltende Einsamkeit ähnlich belastend sein kann wie 15 gerauchte Zigaretten am Tag.

Der Körper reagiert auf fehlende soziale Nähe mit chronischem Stress. Stresshormone steigen, der Blutdruck ebenfalls, das Schlafverhalten verändert sich – und auch das Immunsystem schwächt ab. Laut WHO gehen weltweit jährlich Hunderttausende vorzeitige Todesfälle auf Einsamkeit oder soziale Isolation zurück.

Besonders ältere Menschen sind gefährdet: Wenn Bewegung nachlässt, körperliche Einschränkungen zunehmen oder Partner sterben, schrumpft das soziale Netz. Doch auch Jüngere können betroffen sein – gerade dann, wenn ihre Erwartungen an ein „perfektes Weihnachten“ nicht erfüllt werden und sie sich im Vergleich zu anderen unzulänglich fühlen.

Warum die Weihnachtszeit so herausfordernd ist

Beratungsstellen wie die „Dargebotene Hand“ oder Telefonseelsorgen verzeichnen in der Advents- und Weihnachtszeit regelmässig Spitzenwerte an Anrufen. Beziehungskrisen, Verlusterfahrungen, finanzielle Sorgen – und immer wieder das Thema Einsamkeit.

Weihnachten ist emotional überfrachtet. Erwartungen an Harmonie und Geborgenheit sind hoch – geschürt durch Werbung, Filme, Kindheitserinnerungen. Viele vergleichen die eigene Situation mit idyllischen Bildern, die kaum jemand so erlebt.

Für manche entsteht ein Kreislauf: Je mehr man sich zurückzieht, desto stärker werden die Gefühle der Isolation. Und je lauter die Aussenwelt „Familienzeit“ ruft, desto deutlicher wird die eigene Leerstelle.

Besonders ernst wird es, wenn Einsamkeit in Hoffnungslosigkeit umschlägt. Die WHO weist darauf hin, dass soziale Isolation ein Risikofaktor für Suizidgedanken und suizidales Verhalten ist.

Gerade Feiertage wirken für manche wie ein Brennglas: Der Verlust eines Menschen, der Wegzug der Kinder, Trennungen oder finanzielle Engpässe treten in dieser Zeit deutlicher hervor. Psychologinnen und Psychologen raten Betroffenen, frühzeitig Unterstützung zu suchen – bei Beratungsstellen, Ärztinnen und Ärzten oder Telefonseelsorgen. Zuhören und Aufmerksamkeit können in solchen Momenten lebenswichtig sein.

Was hilft, wenn das Gefühl zu gross wird

Psychologen raten, Weihnachten nicht einfach „vorbeiziehen“ zu lassen, sondern bewusst zu gestalten – auch dann, wenn man allein ist. Kleine Rituale können Halt geben: ein besonderes Essen, ein Spaziergang, Musik, die man mag, ein Buch, das schon lange wartet. Sich selbst etwas Gutes zu tun, schafft innere Wärme.

Hilfreich kann es auch sein, die Einsamkeit nicht zu verdrängen. Wer sie als Gefühl akzeptiert, kann eher ins Handeln kommen – etwa indem man Kontakte knüpft, Räume der Gemeinschaft sucht oder Unterstützungsangebote nutzt. Viele Gemeinden, Vereine und Kirchen bieten offene Feiern oder Treffpunkte an, oft ohne Anmeldung.

Einsamkeit ist ein gesellschaftliches Thema

Einsamkeit ist kein persönliches Versagen. Sie ist Ausdruck gesellschaftlicher Veränderungen: weniger Mehrgenerationenhaushalte, mehr Singlewohnungen, weniger verbindliche soziale Strukturen. Nationale Befragungen zeigen, dass sich bereits vor der Pandemie ein Drittel der Bevölkerung gelegentlich oder häufig einsam fühlte – und die Tendenz steigt.

Gesundheitsexperten fordern daher Strategien, um Einsamkeit frühzeitig zu erkennen und ihr vorzubeugen. Von generationenübergreifenden Wohnformen bis zu niedrigschwelligen Treffpunkten: Orte, an denen Begegnungen möglich sind, können entscheidend sein.

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