Sexualität im Alter: Was die Wissenschaft zu unseren Bedürfnissen sagt

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Die Frage nach dem sexuellen Verlangen und den Bedürfnissen älterer Menschen ist von grosser Bedeutung. Die Forschung zu diesem Thema ist jedoch begrenzt, und es gibt viele Mythen und Missverständnisse darüber, wie sich die Sexualität im Alter entwickelt. In diesem Artikel werfen wir einen genaueren Blick auf die wissenschaftlichen Erkenntnisse zu diesem Thema und untersuchen, wie sich das sexuelle Verlangen und die Bedürfnisse älterer Menschen im Laufe der Zeit verändern können.

Wer meint, dass das Liebesleben aufhört, nur weil man ein paar graue Haare hat, liegt falsch. Doch während wir gerne über die amourösen Abenteuer der Jugend plaudern, wird das Thema Sex im Alter oft hinter verschlossenen Türen gehalten. Dabei ist es gerade dann wichtig, über die Bedürfnisse älterer Menschen zu sprechen. In einer umfassenden Studie in der deutschsprachigen Schweiz wurden 641 Männer und 857 Frauen zwischen 45 und 91 Jahren zu ihrer Sexualität im Alter befragt. Die Ergebnisse verdeutlichen, dass Sexualität «auch im höheren Alter ein wichtiges Thema bleibt».

BASE-II-Studie: Aktivität und Intimität im Alter

Während das Thema bisher in der Forschung eher wenig Beachtung fand, liefern neue Studien faszinierende Einblicke in das Liebesleben der Generation 60 plus. Besonders herausragend ist die Berliner Altersstudie II (BASE-II), veröffentlicht in der Fachzeitschrift Psychology and Aging im Mai 2019. Diese Langzeitstudie wirft seit 1996 ein Licht auf die sexuelle Aktivität, Gedanken und Intimität von Personen im Alter von 60 bis 80 Jahren und vergleicht sie mit jüngeren Erwachsenen. Die BASE-II-Studie, die Daten von über 1500 Erwachsenen analysierte, ergab überraschende Erkenntnisse über die sexuelle Aktivität älterer Menschen. Trotz verbreiteter Vorurteile zeigte sich, dass fast ein Drittel der älteren Studienteilnehmer häufiger sexuell aktiv war und öfter sexuelle Gedanken hatte als die durchschnittlichen 20- und 30-Jährigen. Diese Befunde werfen ein neues Licht auf das sexuelle Leben im Alter und widerlegen das gängige Klischee der sexuellen Passivität älterer Menschen.

Was ist Base-II?

Die Berliner Altersstudie II (BASE-II) setzt die Forschung der Berliner Altersstudie (BASE) fort, indem sie die körperlichen, geistigen und sozialen Bedingungen untersucht, die zu einem möglichst erfolgreichen Altern beitragen. Die Studie verfolgt das Ziel, zu verstehen, wie die durch die steigende Lebenserwartung gewonnenen Jahre möglichst gesund und aktiv gestaltet werden können. Finanziell gefördert vom Bundesministerium für Bildung und Forschung, rekrutierte BASE-II eine umfangreiche Kohorte. Diese umfasste 1600 ältere Erwachsene im Alter von 60 bis 80 Jahren sowie 600 jüngere Erwachsene im Alter von 20 bis 35 Jahren.

Durchführung
Die erste Untersuchungswelle begann 2009 und endete 2015. Als Längsschnittstudie konzipiert, ermöglicht BASE-II die Bestimmung individueller Veränderungen im Alter. Die Teilnehmer:innen wurden bislang zweimal umfassend medizinisch untersucht. Befragungen fanden bis zu zehnmal, psychologische Testungen bis zu viermal statt.

Veränderungen im sexuellen Verlangen im Laufe der Zeit

Das sexuelle Verlangen kann sich im Laufe des Lebens aufgrund einer Vielzahl von Faktoren verändern. Während in jungen Jahren oft ein stärkeres sexuelles Verlangen besteht, das von hormonellen Veränderungen und dem Streben nach Fortpflanzung geprägt ist, können im Alter andere Aspekte in den Vordergrund treten. Psychologische und emotionale Faktoren wie Intimität, Zärtlichkeit und Verbundenheit können an Bedeutung gewinnen, während körperliche Veränderungen wie Hormonschwankungen und gesundheitliche Probleme das sexuelle Verlangen beeinflussen können. Es ist wichtig zu beachten, dass sich das sexuelle Verlangen von Person zu Person und im Laufe der Zeit individuell entwickelt und dass diese Veränderungen ein normaler Bestandteil des menschlichen Lebens sind.

Einflussfaktoren auf die sexuelle Aktivität im Alter

Die sexuelle Aktivität im Alter wird von einer Vielzahl an Faktoren beeinflusst, darunter körperliche Gesundheit, psychische Verfassung, soziale Unterstützung, Beziehungsqualität und kulturelle Normen. Körperliche Veränderungen wie chronische Erkrankungen, Hormonschwankungen und Medikamenteneinnahme können sich auf die sexuelle Funktion auswirken und das sexuelle Verlangen beeinträchtigen. Psychologische Faktoren wie Stress, Depressionen und Angstzustände können ebenfalls eine Rolle spielen. Soziale Unterstützung und die Qualität der Partnerschaft können hingegen das sexuelle Wohlbefinden im Alter positiv beeinflussen. Darüber hinaus können kulturelle Normen und Erwartungen die sexuelle Aktivität älterer Menschen beeinflussen, indem sie deren Verhalten und Einstellungen gegenüber Sexualität formen.

Psychosoziale Einflüsse auf sexuelle Aktivität: Die Bedeutung von Intimität und Zärtlichkeit im Alter

Im Alter gewinnen psychosoziale Faktoren wie Intimität und Zärtlichkeit eine immer grössere Bedeutung für die sexuelle Aktivität. Während die körperlichen Aspekte des Geschlechtsverkehrs im Laufe der Jahre nachlassen können, bleiben das Bedürfnis nach emotionaler Verbundenheit und Zuneigung bestehen. Studien zeigen, dass ältere Menschen oft grösseren Wert auf intime Momente legen, die von Nähe und Vertrauen geprägt sind, als auf rein körperliche Aktivität. Dies kann dazu führen, dass Intimität und Zärtlichkeit im Vordergrund stehen und als befriedigender empfunden werden als sexuelle Handlungen selbst. Die Erfahrung und das Wissen über den oder die Partner:in spielen dabei eine wichtige Rolle, da sie die Basis für ein tiefes Verständnis und eine starke emotionale Bindung bilden.

Entwicklung des sexuellen Verlangens: Geschlechtsspezifische Unterschiede

Schweizer Studien zeigen, dass sich das sexuelle Verlangen bei Männern und Frauen im Laufe der Zeit unterschiedlich entwickelt. Bei Männern bleibt das sexuelle Interesse im Allgemeinen länger erhalten und nimmt erst ab einem späteren Alter signifikant ab. Dies kann auf hormonelle Unterschiede sowie auf gesellschaftliche Erwartungen und Rollenbilder zurückzuführen sein, die Männer oft dazu ermutigen, auch im Alter sexuell aktiv zu bleiben. Bei Frauen hingegen ist das sexuelle Interesse im Durchschnitt niedriger und nimmt mit dem Alter tendenziell stärker ab. Dies kann auf biologische Faktoren wie den Einfluss der Menopause sowie auf soziale und kulturelle Normen zurückgeführt werden, die Frauen oft dazu bringen, ihre Sexualität im Alter als weniger wichtig oder relevant zu betrachten.

Die Erkenntnisse aus der Forschung zur Sexualität im Alter verdeutlichen, dass sexuelle Bedürfnisse und Aktivitäten weit verbreitet und vielfältig sind. Studien liefern wertvolle Einblicke, die dazu beitragen, das Tabu um dieses Thema zu durchbrechen und die sexuelle Gesundheit älterer Menschen zu verbessern. Es ist an der Zeit, Vorurteile über Sex im Alter zu hinterfragen und eine offene sowie respektvolle Diskussion darüber zu fördern.

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  1. Auf der Suche nach der Weisheit des Alters | silberFuchs - […] Dr. Paul Baltes war Teil des Teams, welches die Berliner Altersstudie II (BASE-II) aufgleiste und durchführte. Mehr zur Studie…

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